Wildbienenparadiese schaffen im Siedlungsraum

05.10.2021, Sandro Meyer
Wildbienen reagieren erfahrungsgemäss sehr positiv, wenn ihr Lebensraum aufgewertet wird. Schnell nehmen sie die neu geschaffenen Nahrungs- und Nistplätze an. In manch einer Ecke im Quartier lassen sich Wildbienen fördern. Wir geben Euch ein paar Tipps, was es für ein Bienenparadies braucht.

Die meisten Wildbienen sind keine Weitflieger, sondern bewegen sich in einem Radius von nur wenigen hundert Metern. Deshalb brauchen sie ein kleinräumiges Angebot an Nahrungspflanzen und Nistplätzen. Und da die verschiedenen Arten unterschiedliche Vorlieben und Gewohnheiten haben, sollten die Bienen im Bienenparadies möglichst viele verschiedene Pflanzenarten und Nistmöglichkeiten antreffen.

Wildbienen sind keine Weitflieger.
Die pflanzlichen Vorlieben der Wildbienen

Die ersten Bienenarten sind vor rund 123 Millionen Jahren entstanden. Seither haben sie sich mit den Blütenpflanzen, die sich damals explosionsartig ausgebreitet haben, weiterentwickelt. Dieser Prozesse hat auch die Anpassung der Wildbienenarten an bestimmte Blüten vorangetrieben [1]

Etwa die Hälfte der heutigen Wildbienenarten in Mitteleuropa sind Spezialisten, das heisst, sie sammeln die Pollen ausschliesslich oder stark bevorzugt auf Pflanzen einer einzigen Gattung oder Familie. Durch diese Spezialisierung können sie ihre Wirtspflanzen effizienter bestäuben als die Generalisten wie die Honigbiene. Zum Beispiel braucht es für die Bestäubung von einer Hektar Obstbäumen 600 Mauerbienen, hingegen braucht es für die gleiche Fläche 120’000 Honigbienen!

Von den 205 spezialisierten Wildbienenarten in Mitteleuropa gelten nicht weniger als 111 als gefährdet. Daher braucht es eine grosse Pflanzenvielfalt. Wollen Sie diesen wichtigen Bestäubern und vor allem auch den gefährdeten darunter helfen, pflanzen Sie viele dieser wichtigen Arten an. Zudem: Auch für uns Menschen sind all diese wunderschön blühenden Pflanzen eine Augenweide.

Die Gelbbindige Furchenbiene labt sich gerne an Korbblütlern wie die Flockenblumen.

Die Pflanzen kaufen Sie am besten in einer lokalen Gärtnerei und pflanzen sie an eher sonnigen bis halbschattigen Platz im Garten. Aber auch in Balkonkistchen oder Töpfen gedeihen sie gut. Kein Balkon ist zu klein, um den Wildbienen nicht etwas wertvolle Nahrung zu bieten!

Bienenweiden anlegen mit Wildpflanzen

Für die spezialisierten Wildbienen sind Glockenblumen, Natternkopf und Weiden und die nachstehend aufgeführten vier Pflanzenfamilien besonders wichtig:

  • Korbblütler: Flockenblumen, Disteln, Habichtskraut, Milchkraut, Bitterkraut, Wegwarte, Ferkelkraut, Alant, Geisskraut, Hundskamille, Schafgarbe, Rainfarn
  • Schmetterlingsblütler: Hornklee, Klee, Schneckenklee, Hufeisenklee, Esparsette
  • Kreuzblütler: Kohl, Senf, Rauke, Schöteriche, Rettich
  • Lippenblütler: Ziest, Salbei, Schwarznessel, Gamander
Das farbenprächtige Bord mit Wildpflanzen ist auch eine Augenweide.
Fürs Nisten brauchen Wildbienen vielfältige Kleinstrukturen

Wildbienen haben unterschiedliche Nistweisen. Bodennister nisten in selbstgegrabenen Gängen im Erdboden. Hohlraumnister nisten in vorhandenen Erd-, Fels- und Mauerspalten oder Schneckenhäusern und Hummeln nisten in grösseren Hohlräumen wie in leeren Mäusenestern oder Baumhöhlen. Einige Arten legen ihre Nistplätze in selbstgenagten Gängen in markhaltigen Pflanzenstängeln wie Brombeeren oder morschem Holz an.

Wer eine artenreiche Wildbienenfauna fördern will, sollte daher an gut besonnten Stellen ein vielfältiges Angebot an Kleinstrukturen anbieten: vegetationsarme oder sandige Flächen, Totholz, Steinhaufen, leere Schneckenhäuser und Pflanzenstängel.

Für Bodennister: Möglichst viele offene Bodenstellen schaffen.
Für Hohlraumnister: Natursteinmauern
Für Hohlraumnister: In Weinbergschneckenhäusern können Goldene Schneckenhaus-Mauerbienen ihre Nester bauen.
Für Stängelnister: Markhaltige Pflanzenstängel wie z.B. Brombeerstängel können senkrecht an einem Zaun aufgehängt werden. Gewisse solitäre Wespen und Wildbienen wie die Keulhornbiene schätzen dieses Angebot.
Künstliche Nisthilfen für oberirdisch nistende Wildbienen

Es gibt eine Reihe von künstlichen Nisthilfen für Wildbienen – «Bienenhotels» –, die online und in diversen Gartengeschäften erhältlich sind. Zwar ist der Ansatz, mit den künstlichen Nisthilfen die Wildbienen zu fördern, gut gemeint und als Lehrmittel für Schulklassen oder für das Beobachten der Wildbienen bei der Brutfürsorge aus nächster Nähe geeignet. Aber häufig sind «Bienenhotels» suboptimal gebaut und der Nutzen für die Wildbienenartenvielfalt im Siedlungsraum hält sich in Grenzen.

Oft wird für die Bienenhotels ins Stirnholz gebohrt, also da wo man die kreisförmigen Jahresringe sieht, anstatt ins Längsholz, da wo ursprünglich die Rinde war. Werden die Löcher im Stirnholz im Winter feucht, können Risse entstehen und dadurch die Brut sterben. Zudem ziehen viele Nistmöglichkeiten auf sehr engem Raum Feinde an wie den Bienenkäfer, der die Brut frisst.

Die künstlichen Nisthilfen werden nur von rund 20 Wildbienenarten benutzt. Viele Wildbienen nisten im Boden, darunter viele gefährdete Arten. Daher ersetzen die künstlichen die natürlichen Nistplätze wie Totholz und vor allem offene Bodenstellen nicht.

Lehmwänder werden gerne angenommen von der Frühlings-Pelzbiene und der Gemeinen Seidenbiene. Hier ein gutes Beispiel von diversen Nisthilfen im «Beeparadise» von Wildbiene und Partner.
Was beim Bau eines Bienenhotels beachtet werden sollte
  • Innendurchmesser der Hohlräume im Holz oder Bambus zwischen 3-9 mm
    – Kleine Wildbienenarten brauchen kleine Durchmesser von 3-4 mm, z.B. die Glockenblumen-Scherenbiene
    – Mittelgrosse Wildbienenarten benötigen mittlere Durchmesser von 5-6 mm, z.B. die Glänzende Natternkopf-Mauerbiene
    – Grössere Wildbienenarten erfordern grosse Durchmesser von ca. 8 mm, z.B. die Gehörnte Mauerbiene
  • Die Enden der Löcher sollten glatt geschliffen sein, weil die Wildbienen ihre Flügel daran verletzen können. Allenfalls mit Schmirgelpapier nachbessern.
  • Die Mindesttiefe der Röhren sollte 5-10 cm sein.
  • Für Bohrungen Hartholz (Eichen, Buche, Hainbuche, Eschen usw.), aber kein Tannenholz verwenden.
  • Die Bohrungen sollten nicht ins Stirnholz gemacht werden, also nicht in die kreisförmigen Jahresringe, sondern ins Längsholz, wo ursprünglich die Rinde war.
  • Der Standort des Wildbienenhotels sollte sorgfältig ausgewählt werden. Geeignet ist ein gut besonnter und vor Regen geschützter Ort.
Verwendete Literatur

[1] Cardinal, S., & Danforth, B. N. (2013). Bees diversified in the age of eudicots. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 280(1755), 20122686.

Zurbuchen Antonia. und Müller Andreas. (2012). Wildbienenschutz – von der Wissenschaft zur Praxis. Zürich Bristol-Stiftung, Haupt Verlag 162 S.

Amiet, Felix., Krebs, Albert. (2014). Bienen Mitteleuropas – Gattungen, Lebensweise, Beobachtung, Haupt Verlag.

 

Weitere Informationen

Natur im Siedlungsraum: News und viele gute Tipps
Anleitung für selbst gebaut Nisthilfen von wildbee.ch
SRF Kassensturz Reportage über die oft ungenügenden Wildbienen Nisthilfen
Kritische Auseinandersetzung von Nisthilfen auf wildbee.ch
FuturePlanter: Wildbieneninfos & Bezugsquelle für Pflanzen